Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern
Eltern sind gegenüber ihren Kindern unterhaltspflichtig, so bestimmt es das Bürgerliche Gesetzbuch. Wie weit diese Unterhaltsverpflichtung reicht, erklärt Sigrun von Hasseln, vorsitzende Richterin am Landgericht Cottbus.
Redaktion: Vielen Jugendlichen geht der "Stress" mit ihren Eltern so auf den "Geist", dass sie von zu Hause ausziehen möchten. Als Zahlmeister sind ihnen die Eltern jedoch nach wie vor willkommen. Müssen Eltern tatsächlich Unterhalt auf das Konto ihres Kindes überweisen, wenn das Kind auszieht?
Sigrun von Hasseln: Grundsätzlich sind Eltern nicht gezwungen, den Unterhalt auf das Konto ihres Kindes zu überweisen. Sie können, solange ihr Kind unverheiratet ist, bestimmen, dass das Kind zu Hause wohnt und ißt; selbst wenn das Kind volljährig ist (§ 1612 Abs. 2 BGB).
Von deutschen Gerichten wurde unter anderem in folgenden Fällen entschieden, dass Eltern keinen regelmäßigen Geldunterhalt zahlen müssen:
* beim Wunsch nach innerer Lösung vom Elternhaus;
* bei einer tiefgreifenden Entfremdung, wenn sie durch ein rücksichtsloses oder provozierendes Verhalten des Kindes verursacht worden ist.
Redaktion: Natürlich ist für Eltern interessant zu wissen, wie lange und in welchem Umfang sie ihrem Kind eine langwierige Berufsausbildung zahlen müssen.
Sigrun von Hasseln: Die Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern eine deren Anlagen und Fähigkeiten entsprechende Berufsausbildung zu finanzieren, solange sie nicht ihren eigenen angemessenen Unterhalt gefährden. Je begabter und strebsamer ein Kind, desto höher ist sein Ausbildungsanspruch. Eltern müssen auch dann bis zum Ende der Ausbildung den "angemessenen Unterhalt" finanzieren, wenn sie sich einverstanden erklärt haben, dass das Kind eine solche Ausbildung macht, z.B. zur Konzertpianistin.
Eltern brauchen keine übermäßigen Opfer zu erbringen. Hat ein Jugendlicher die Schule grundlos abgebrochen (Nullbock oder schlechte Noten), sind Eltern nicht verpflichtet, dem Kind durch die Finanzierung teurer Nachhilfe oder Internate nachträglich zum Abitur zu verhelfen.
Redaktion: Nun gibt es immer wieder Fälle, in denen dem Kind der erlernte Beruf keinen Spaß macht. Müssen Eltern jetzt eine zweite Berufsausbildung oder ein Zweitstudium finanzieren?
Sigrun von Hasseln: Grundsätzlich nicht. Das Kind ist dann nämlich nicht mehr ausserstande, sich selbst zu unterhalten. Es gibt aber Ausnahmen. So kann beispielsweise für eine zweite, ganz neue Berufsausbildung (Berufswechsel) Unterhalt gefordert werden, wenn zwingende Gründe dies erfordern. Das kann der Fall sein, wenn der Erstberuf aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann (z.B. Allergie) oder wenn der Unterhaltsberechtigte dem Beruf nicht mehr gewachsen ist (z.B. nach einem Unfall).